Fall des Monats

Uneindeutige Anfälle | 10-2013

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Ein 53-jähriger Patient wird mit der Frage stationär aufgenommen, ob seine seit vielen Jahren plötzlich auftretenden Verhaltensänderungen mit Bewegungen des rechten Arms epileptische Anfälle sind. Der Patient stammt aus Süd-Ost-Europa, es besteht eine Sprachbarriere, die eine Anamneseerhebung deutlich einschränkt. Während einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung trat ein solches Ereignis auf. Nach kurzem Innehalten verkrampft sich die rechte Hand, um dann in ein hochfrequentes Schütteln überzugehen. Im Verlauf erfasst dieses Bewegungsmuster auch die linke obere Extremität. Die Augen sind während dieser 2-minütigen Episode zusammengekniffen. Semiologisch entspricht dieses Ereignis einem psychogenen nicht-epileptischen Anfall, das EEG zeigt kein korrespondierendes Anfallsmuster.

Der Sohn des Patienten bestätigt nach Demonstration des Videos, dass die Anfälle seines Vaters weitgehend denen im Video entsprechen.

Sieben Jahre zuvor hatte sich der Patient im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg schon einmal einer Video-EEG-Langzeituntersuchung unterzogen. Hier konnte ein Anfall aufgezeichnet werden, bei dem der Patient innehält, es kommt zu automatisierten wenig ausgeprägten Bewegungen der rechten Hand, die Augen sind initial geöffnet und sind im weiteren Verlauf des Anfalls geschlossen. Die Dauer dieses blanden automotorischen Anfalls beträgt gut eine Minute. Im EEG zeigt sich korrespondierend ein Anfallsmuster rechts temporo-anterior.

Im direkten Vergleich der beiden Video-Sequenzen lassen sich der psychogene nicht-epileptische und der automotorische epileptische Anfall – trotz Ähnlichkeiten –eindeutig differenzieren. Eigenanamnestisch ist dies aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich. Fremdanamnestisch scheinen aktuell psychogene nicht-epileptische Anfälle aufzutreten. Ob automotorische epileptische Anfälle ausschließlich vor einigen Jahren oder zusätzlich zu den psychogenen Anfällen weiterhin auftreten, ließ sich letztlich nicht klären.

Die pharmakologische antiepileptische Therapie mit Lamotrigin wurde unverändert fortgesetzt. Wir haben eine Verhaltenstherapie bei einem muttersprachlichen Psychotherapeuten empfohlen.

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