Fall des Monats

Erstmalige Anfälle bei älterem Patienten | 9-2013

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Ein 72-jähriger Patient hält beim Kaffeetrinken plötzlich inne, er kann die Gabel mit dem Stückchen Kuchen nicht mehr zum Mund führen. Seine Frau beschreibt einen starren Blick und eine Abwesenheit für 1-2 min. Motorische Zeichen bestehen kaum. Nach Ende der Episode ist der Patient rasch reorientiert. Daher misst die Ehefrau dieser kurzen Verhaltensänderung nicht viel Bedeutung bei. In den folgenden Wochen treten diese Episoden jedoch gehäuft auf – beim Fernsehen schauen, beim Essen und bei der Unterhaltung. Interessanterweise fallen diese Episoden nur der Ehefrau auf, der Patient selbst bemerkt und erinnert diese nicht. Nach einigen Umwegen stellt sich der Patient letztlich in der Ambulanz des Epilepsie-Zentrums Berlin-Brandenburg vor. Auf der Basis der guten Anfallsbeobachtung und –beschreibung durch die Ehefrau werden die Episoden blanden automotorischen (= komplex fokalen) epileptischen Anfälle zugeordnet. Das EEG zeigt beidseits temporal leichte Verlangsamungen, aber keine epilepsietypischen Potenziale. Im cranialen MRT finden sich mäßiggradige, zum Teil cortexnahe mikroangiopathische Veränderungen. Bei Vorliegen der Diagnose einer fokalen Epilepsie wird eine Therapie mit Lamotrigin begonnen. Drei Monate später berichtet die Ehefrau, dass keine Anfälle mehr aufgetreten seien.

Dieser Fall illustriert eine typische Altersepilepsie. Die automotorischen Anfälle sind eher diskret, es gibt wenig motorische Zeichen. Der Patient bemerkt seine Anfälle nicht, die Amnesie ist Teil des Anfalls. Wenn die korrekte Diagnose gestellt ist, führt eine antiepileptische Medikation oft rasch zu kompletter Anfallsfreiheit. Diese Charakteristika zu kennen, ist wichtig, da die Wahrscheinlichkeit neu aufgetretener Epilepsien mit zunehmendem Alter immer größer wird.

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