Fall des Monats

Fokale und generalisierte Epilepsie | 11-2013

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Eine 31-jährige Patientin erleidet seit etwa 15 Jahren einmal jährlich einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Sie erinnert nicht, ob diesen Anfällen subjektive oder objektivierbare Veränderungen vorausgehen, die auf einen fokalen Beginn hindeuten könnten. Unabhängig von den „großen“ Anfällen treten schon seit der Kindheit kurze Abwesenheiten auf, die die Patientin aber nicht näher beschreiben kann.

Im Routine-EEG finden sich wiederholt generalisierte Spike-wave-Komplexe mit 3/s, bei der Leseprobe stockt die Patientin während der Entladungen. Dies zeigt ein klinisches Korrelat der Entladungsmuster an. Während einer EEG-Langzeit-Untersuchung treten zwei semiologisch unterschiedliche Anfälle auf. Zum einen tritt ein typischer tonisch-klonisch generalisierter Anfall ohne fokale Einleitung mit initialem 3/s Spike-wave-Muster auf. Zum anderen manifestiert sich einer der „kleinen“ Anfälle mit Abwesenheit. Hier zeigt sich ein Anfallsmuster mit rhythmischer Theta-Aktivität, welches auf links temporale Strukturen begrenzt ist. In einem cranialen 3-Tesla MRT stellt sich links temporo-basal in der FLAIR-Sequenz eine hyperintense Struktur dar, die a.e. einem gutartigen Tumor entspricht.

In der hier skizzierten Konstellation gehen wir davon aus, dass bei der Patientin sowohl eine fokale als auch eine idiopathisch generalisierte Epilepsie besteht. Letztere manifestiert sich sehr wahrscheinlich ausschließlich in den Grand Mal-Anfällen, die leichten kognitiven Einbußen während der generalisierten Entladungsmuster scheint die Patientin nicht zu merken. Die kurzen Anfälle, die rein anamnestisch auch sehr gut Absencen entsprechen könnten, sind jedoch klinischer Ausdruck des links temporalen Anfallsmusters, es handelt sich hierbei um blande automotorische (= komplex fokale) Anfälle i.R. einer fokalen Epilepsie. Diese ist ursächlich auf die links temporo-basale Läsion zurückzuführen.

Die Patientin war bei Vorstellung im Epilepsie-Zentrum mit Valproinsäure in höherer Dosis behandelt. Wir ergänzten die Medikation um Levetiracetam. Sollten unter dieser Kombinationstherapie weiterhin automotorische Anfälle auftreten, kann perspektivisch – trotz der parallel bestehenden idiopathisch generalisierten Epilepsie – ein epilepsiechirurgischer Eingriff diskutiert werden.

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