Fall des Monats

Ist ein Anfall schon eine Epilepsie? | 11-2014

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Ein 22-jähriger junger Mann erleidet einen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall mittags aus dem Wachen heraus. Eine fokale Einleitung ist nicht erinnerlich. Er hatte in der Nacht zuvor weniger als sonst geschlafen. Weitere Anfallsformen sind auch auf konkrete Nachfrage hin bisher nicht aufgetreten. In einem von uns durchgeführten Routine-EEG zeigten sich generalisierte Spike-Wave-Komplexe mit 3/s und mit frontalem Amplitudenmaximum. Diese Konstellation zeigt an, dass bei dem Patienten ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten weiterer unprovozierter epileptischer Anfälle besteht, dies definiert eine Epilepsie. Aufgrund der Anfallssemiologie, des Triggers Schlafmangel und des interiktalen EEG-Befundes ordnen wir das Syndrom einer idiopathisch generalisierten Epilepsie zu. Wir begannen eine Therapie, die letztlich einen Schutz vor weiteren epileptischen Anfällen und somit eine Sekundärprophylaxe darstellt, mit Valproinsäure 2 x 300 mg täglich. Wir klärten den Patienten darüber auf, dass er für 12 Monate nicht selbständig ein Kraftfahrzeug führen darf.

Eine ältere Definition der Epilepsie verlangte das Auftreten von mindestens zwei unprovozierten epileptischen Anfällen. Die nun revidierte Epilepsie-Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie sieht vor, dass eine Epilepsie bereits vorliegen kann, wenn nach einem unprovozierten Anfall ein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle aufgezeigt werden kann. Eine strukturelle Läsion im cMRT oder epilepsie-typische Potenziale im EEG zeigen ein solch erhöhtes Risiko an. Es besteht dann eine Behandlungsindikation. Wenn das cMRT und das EEG unauffällig sind, besteht nach einem ersten unprovozierten Anfall kein relevant erhöhtes Rezidivrisiko, wir sprechen dann von einem isolierten unprovozierten Anfall. Dieser muss nicht behandelt werden, es besteht ein KFZ-Fahrverbot von 6 Monaten.

Die Frage „Ist ein Anfall schon eine Epilepsie?“ muss also mit ja und nein beantwortet werden, entscheidend ist die Höhe des Rezidivrisikos.

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