Fall des Monats

Epilepsie oder keine Epilepsie? | 3-2013

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Eine 57-jährige aus Russland stammende und nur eingeschränkt deutsch sprechende Patientin wurde mit der Frage stationär aufgenommen, ob die von ihr angegebenen paroxysmalen Beschwerden epileptischen Anfällen zuzuordnen sind oder nicht. Die Patientin berichtete von einer Übelkeit und gelegentlichen Kopfschmerzen, diese träten fast täglich auf. Detaillierte Angaben ließen sich nicht erheben, auch die Dauer der wohl plötzlich auftretenden Symptome ließ sich nicht klären. Fremdanamnestisch ließen sich semiologisch keine eindeutigen epileptischen Anfälle heraushören. Die Patientin war bei Aufnahme mit 50 mg Topiramat und 100 mg Lacosamid behandelt. Höhere Dosierungen wurden nicht vertragen, das Absetzen einer der beiden Substanzen führte zu mehr Anfällen.

Wir führten eine 24 h-Video-EEG-Langzeit-Untersuchung durch, währenddessen traten keine Anfälle auf, auch das interiktale EEG war komplett unauffällig. Im cerebralen MRT fanden sich allenfalls leichte mikroangiopathische Marklagerveränderungen.

Wir entschlossen uns daher, die beiden niedrig dosierten Antiepileptika abzusetzen. Unter Beobachtung im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg für ein paar weitere Tage traten keine der bekannten paroxysmalen Beschwerden auf.

Am Abend des Entlassungstages beobachtete die Tochter der Patientin während des Essens einen Anfall mit starrem Blick, schmatzenden und kauenden Bewegungen und fehlender Reaktion auf Ansprache, die Dauer betrug ca. 1 min. Die Patientin konnte sich an diesen Anfall nicht erinnern. Sie berichtete lediglich über Kopfschmerzen. Wir konnten diesen Anfall aufgrund einer erstmalig belastbaren fremdanamnestischen Beschreibung einer epileptischen Genese zuordnen, es handelt sich um einen automotorischen Anfall. Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Lamotrigin.

In Zusammenschau gehen wir weiterhin davon aus, dass die Mehrzahl der von der Patientin berichteten paroxysmalen Beschwerden nicht epileptischen Anfällen entspricht. Dennoch treten darüber hinaus mitunter doch eindeutig epileptische Anfälle auf. Diese scheinen mit einem postiktalen Kopfschmerz verbunden zu sein, dieser findet sich bei über einem Drittel aller Patienten mit Epilepsie.

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