Fall des Monats

Verzögerte Diagnose | 5-2013

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Eine 42-jährige Patientin berichtete bei Erstvorstellung in unserer Epilepsie-Ambulanz, dass ihr seit mehr als 5 Jahren ein plötzlich auftretendes Druckgefühl in der Magengegend auffalle. Das Gefühl sei immer das gleiche, die Dauer betrage zwischen 10 und 20 Sekunden, die Häufigkeit gibt sie mit 2-3 pro Woche an. Unsere Nachfrage, ob sich an dieses Druckgefühl noch eine Abwesenheit anschließe oder jemals angeschlossen habe, verneinte die Patientin vehement. Insgesamt verbringe sie viel Zeit alleine, sodass wir auch keine weiteren Angaben zu diesen Episoden von Dritten einholen konnten. Sie habe bisher noch keinen Arzt wegen dieser Ereignisse aufgesucht, da sie ihnen keine Bedeutung und keinen Krankeitswert beigemessen habe.

Zur weiteren diagnostischen Zuordnung wurde die Patientin dann kurzfristig in das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg aufgenommen. Während einer dreitägigen Video-EEG-Langzeit-Untersuchung traten dann gleich zwei dieser Episoden mit der bekannten subjektiven Symptomatik auf. Klinisch fiel bei der Testung durch die MTA dann auf, dass die Patientin bei beiden Ereignissen für 30-40 Sekunden einfache Aufforderungen nicht befolgt hat. Im Nachhinein konnte die Patientin sich nicht daran erinnern, dass jenseits des Gefühls in der Magengegend eine Abwesenheit bestand. Korrelierend zu den klinischen Veränderungen zeigte sich im EEG bei beiden Ereignissen ein eindeutiges Anfallsmuster im Bereich des rechten Schläfenlappens. Im cerebralen MRT zeigten sich keine Auffälligkeiten.

Wir konnten die Patientin darüber aufklären, dass bei ihr – seit mehr als 5 Jahren –eine fokale Epilepsie besteht. Jenseits der epigastrischen Auren war die Semiologie unter Propagation der epileptischen Aktivität durch einen automotorischen Anfall gekennzeichnet. Mehr als die Hälfte der Patienten mit automotorischen Anfällen aus dem Wachen erkennt und erinnert diese Anfälle nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Patientin immer oder zumindest häufig im Anschluss an die Auren automotrische Anfälle hat, die sie aber aufgrund der anfallsbedingten Amnesie weder bemerkt noch erinnert.

Wir haben eine antiepileptische Therapie mit Levetiracetam begonnen, ein ambulanter Wiedervorstellungstermin zur klinischen Kontrolle steht noch aus.

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