Fall des Monats

Psychogene nicht-epileptische Anfälle | 3-2014

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Eine 35-jährige Patientin leidet seit 10 Jahren unter Anfällen. Die Krankheitsgeschichte begann i.R. einer schmerzlichen Trennungssituation. Die Anfälle sind durch ein „Zucken“ oder „Schlagen“ aller Extremitäten gekennzeichnet, zusätzlich treten markante Rumpf- und Beckenbewegungen auf. Diese Anfälle sind vor 10 Jahren als eindeutig epileptisch eingeschätzt worden, die Patientin nimmt seitdem Antiepileptika (zunächst Carbamazepin, jetzt Levetiracetam in einer Dosis von 2.000 mg täglich). Die Häufigkeit der Anfälle beträgt etwa 2-3 pro Monat, sie wurde durch die Antiepileptika bisher in keinster Weise beeinflusst. Die Patientin selbst berichtet, dass die Anfälle fast ausschließlich in Stresssituationen (z.B. bei Streit in der Familie) auftreten würden.

Die Patientin wurde nun im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg von ihrem ambulant behandelnden Neurologen zur erneuten Einschätzung der Anfälle bei vermeintlicher Pharmakoresistenz eingewiesen.

Allein die Anamnese – Beginn in Trennungssituation, Auftreten von Anfällen bei Stress – gibt Hinweise darauf, dass es sich hier nicht um epileptische, sondern um psychogene nicht-epileptische Anfälle handeln könnte. Typisch ist die Situationsbezogenheit der Anfälle, im Gegensatz dazu treten epileptische Anfälle i.R. von Epilepsien in der Regel unprovoziert und nicht vorhersehbar auf. In einer Routine-EEG-Untersuchung trat dann ein Anfall auf. Semiologisch waren die Augen geschlossen, es traten undulierend irreguläre motorische Zeichen auf. Im EEG zeigten sich lediglich Bewegungsartefakte, keine Hinweise auf ein Anfallsmuster.

Mit der Patientin wurde unsere diagnostische Einschätzung besprochen, das Levetiracetam wurde schrittweise abgesetzt. Parallel wurden psychotherapeutische Gespräche begonnen. Die Patientin sollte lernen, mit Stresssituationen anders umzugehen, als psychogene nicht-epileptische Anfälle zuzulassen.

Studien haben gezeigt, dass psychogene nicht-epileptische Anfälle erst nach mittleren 7 Jahren sicher als solche diagnostiziert werden. Zuvor nehmen die Patienten – unter der ärztlichen Annahme einer Epilepsie – oft mehrere Antiepileptika ein.

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