Fall des Monats

Epileptischer Anfall oder Epilepsie? | 10-2016

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Eine 49-jährige Patientin erleidet erstmals aus dem Wachen am Nachmittag unstrittig einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Ihr selbst und dem Begleiter ist keine fokale Einleitung des Anfalls erinnerlich. Die zentrale Frage lautet: Wie groß ist das Risiko für einen erneuten epileptischen Anfall?

In der Rettungsstelle wurde ein Computertomogramm des Schädels durchgeführt, hier fanden sich keine pathologischen Auffälligkeiten. Für eine ausreichende Sensitivität ist jedoch ein cerebrales MRT – durchgeführt nach dem Epilepsie-Protokoll mit temporaler Angulierung – notwendig, auch dieses war unauffällig. Ein Routine-EEG und ein Schlaf-EEG nach vorherigem Schlafentzug waren ebenfalls ohne pathologischen Befund.

In dieser Konstellation finden sich keine Hinweise für eine anhaltende Veränderung im Gehirn, die das Auftreten eines weitern epileptischen Anfalls wahrscheinlich macht. Nach der jüngsten Definition der Epilepsie muss das Risiko für einen weiteren – zweiten – unprovozierten Anfall in den folgenden 10 Jahren bei über 60 % liegen und damit dem nach zwei unprovozierten Anfällen entsprechen (Fisher et al. 2014 Epilepsia).

Wir konnten die Patientin somit darüber aufklären, dass bei ihr zwar ein leicht erhöhtes Risiko für einen weiteren epileptischen Anfall besteht, dass dieses aber nicht so hoch ist, dass definitionsgemäß bereits eine Epilepsie vorliegt.

Daher besteht auch keine Indikation für eine antiepileptische Therapie. Die Patientin darf für 6 Monate nicht selbstständig ein Kraftfahrzeug bis 3,5 t führen.

Hätte sich im cMRT oder im EEG ein pathologischer Befund gezeigt, läge bereits nach dem ersten Anfall ein relevant erhöhtes Rezidivrisiko und somit eine Epilepsie vor.

Dieses Fallbeispiel zeigt, wie hochrelevant es ist, nach dem ersten unprovozierten epileptischen eine adäquate Risikoabschätzung für einen weiteren epileptischen Anfall vorzunehmen.

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