Fall des Monats

Bisher keine Antiepileptika trotz fünf Grand Mal | 8-2017

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Ein gerade 18-jähriger männlicher Patient erlitt seit seinem 16. Lebensjahr insgesamt fünf unprovozierte, wahrscheinlich tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle aus dem Schlaf. Der Patient erinnert sich nicht an einen Beginn der Anfälle, es gibt keine Fremdanamnese. Der Patient bemerkte aber morgens starken Muskelkater und einen lateralen Zungenbiss. Hier bleibt keine andere Diagnose als tonisch-klonisch generalisierte Anfälle. Der Patient war bisher in ambulanter Behandlung jenseits unseres Zentrums. Ein Kopf-MRT blieb ohne pathologischen Befund, ein Routine-EEG war ebenfalls nicht richtungsweisend. Es besteht also eine unklassifizierte Epilepsie, das Auftreten im Schlaf könnte ein Hinweis auf eine fokale Epilepsie sein. Nach Angaben des Patienten wurde ihm von seinen bisherigen Ärzten nicht empfohlen, ein Antiepileptikum einzunehmen. Die Gründe waren unklar.

Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt, dass nach fünf unprovozierten Anfällen ein sehr hohes Risiko (> 80%) für weitere epileptische Anfälle besteht. Wir haben ihn zudem darüber aufgeklärt, dass gerade Schlaf-gebundene tonisch-klonisch generalisierte Anfälle zu einem plötzlichen und unerwarteten Tod führen können (sudden unexpected death in epilepsy = SUDEP). Der Patient ließ sich davon überzeugen, von nun an ein Antiepileptikum einzunehmen. Wir gaben dem Patienten Levetiractam in einer Dosis von 2 x 500 mg täglich. Zumindest in den folgenden 6 Monaten war kein weiterer Anfall mehr aufgetreten.

Zusammengefasst liegt bereits nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen das Risiko für einen dritten unprovozierten Anfall bei mehr als 60% in den kommenden 10 Jahren. Nach den aktuellen Kriterien der Internationalen Liga gegen Epilepsie definiert diese Konstellation – wegen des hohen Rezidivrisikos – die Erkrankung Epilepsie, es liegt in der Regel eine Behandlungsindikation vor.

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