Fall des Monats

Epileptische Anfälle immer behandeln? | 8-2016

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Eine 43-jährige Patientin erlebt seit 8 Jahren rezidivierend kurze Episoden von 5-10 sec Dauer, bei denen sie ein Druckgefühl im Magen verspüre, dann schließe sich ein eher unspezifisches Gefühl im gesamten Körper an, im Anschluss spanne sich ihr Körper für 20 sec an. Es ließ sich nicht sicher erfragen, ob sie während der gesamten Episode bewusstseinsklar ist. Die Frequenz dieser Episoden beträgt etwa 2-3 / Monat. Die Patientin war bei Erstvorstellung in unserer Klinik mit 400 mg Zonisamid täglich behandelt. Sie selbst ging aber davon aus, dass es sich bei diesen Episoden um dissoziative Anfälle gehandelt hat. Im MRT zeigte sich eine Hippocampussklerose links.

Mit dem Ziel, diese Episoden diagnostisch zuzuordnen, führten wir eine Video-EEG-Langzeituntersuchung über 48 h durch. Da wir zu Beginn nicht sicher waren, ob es sich bei diesen Episoden um epileptische oder dissoziative Anfälle handelt, setzten wir das Zonisamid schrittweise ab. Während der Untersuchung trat eine dieser Episoden auf. Der klinische Ablauf war so, wie von der Patientin zuvor beschrieben. Die medizinisch-technische Assistentin betrat das Zimmer während der Phase der angespannten Körperhaltung. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt voll reagibel. Im EEG zeigte sich zu Beginn links temporal ein kurzes Anfallsmuster mit einer rhythmisierten Theta-Aktivität von 6-7 / s. Somit ließ sich das Druckgefühl im Magen sicher einer epigastrischen Aura, also einem einfach-fokalen epileptischen Anfall, zuordnen. Wir gehen davon aus, dass die spätere Phase mit der Anspannung des gesamten Körpers nicht mehr Teil des epileptischen Anfalls ist, sondern eher eine Reaktion auf die Aura und die mit verbundenen Unannehmlichkeiten darstellt.

Nach Aufklärung der Patientin wünschte diese, dass sie nach Absetzen von Zonisamid weiterhin unbehandelt bleibt. Sie würde lieber die epileptischen Auren aushalten, als erneut regelmäßig ein Antiepileptikum einzunehmen. Wir klärten die Patientin darüber auf, dass sie aufgrund der Hippocampussklerose eine erhöhte Anfallsbereitschaft habe. Wir könnten zudem nicht ausschließen, dass sich aus den Auren auch mal ein komplex-fokaler Anfall mit Bewusstseinsstörung oder sogar ein generalisiert tonisch-klonischer Anfall entwickelt. Die Patientin wollte dieses Risiko in Kauf nehmen. Da die Patientin seit mehr als 1 Jahr ausschließlich Anfälle ohne Bewusstseinsstörung zu haben scheint, darf sie ab 3 Monate nach Absetzen des Antiepileptikums Zonisamid wieder selbständig ein Kraftfahrzeug führen.

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