Fall des Monats

Vorsicht mit Valproat bei Älteren | 11-2017

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Eine 83-jährige Patientin erlitt vor ein paar Wochen ihre ersten beiden fokalen Anfälle mit Bewusstseinsstörung (früher: komplex-fokaler Anfall). Im cCT zeigte sich eine moderate vaskuläre Leukenzephalopathie, die Patientin hatte jedoch – gemessen an ihrem Alter – keine alltagsrelevanten kognitiven Defizite. Zwei unprovozierte epileptische Anfälle sind mit einem hohen Rezidivrisiko assoziiert, dies definiert eine Epilepsie und stellt in der Regel eine Behandlungsindikation dar.

Der Patientin wurde in einem anderen Krankenhaus das Antiepileptikum Valproinsäure gegeben, die Dosis wurde schrittweise auf 1.200 mg pro Tag erhöht. Der Familie fiel dann zeitnah auf, dass die Patientin deutlich verlangsamt und mnestisch eingeschränkt war. In unserem Hause stellten wir dann eine Serum-Konzentration für Valproinsäure von 130 mg/l fest (empfohlener Bereich: 40 – 100). Unter der Annahme einer Valproat-Enzephalopathie stellten wir die Antiepileptika-Therapie auf Lacosamid 2 x 75 mg pro Tag um. Innerhalb weniger Tage besserte sich die kognitive Leistungskapazität der Patientin auf das Ausgangsniveau.

Dieser Fall illustriert die Limitationen von Valproinsäure. Diese bestehen nicht nur in dem teratogenen Risiko bei Einnahme durch Frauen im gebärfähigen Alter, sondern auch in einem relevanten Enzephalopathie-Risiko bei älteren Patienten.

Valproinsäure ist ein gut geeignetes Antiepileptikum bei genetisch generalisierten Epilepsien (früher: idiopathisch generalisierte Epilepsie), diese manifestieren sich aber in der Regel nicht in der 2. Lebenshälfte. Bei fokalen Epilepsien ist die Substanz zwar zugelassen, es gibt aber eine Vielzahl geeigneterer Antiepileptika; die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfehlen bei dieser Indikation in Monotherapie neben Lamotrigin und Levetiracetam auch Eslicarbazepinacetat, Lacosamid und Zonisamid.

Zusammengefasst sollte man mit Valproinsäure bei älteren Patienten sehr vorsichtig umgehen, eine Neueinstellung auf dieses Antiepileptikum sollte mangels Indikation und aufgrund des Nebenwirkungsprofils vermieden werden.

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