Fall des Monats

Verbesserte Anfallskontrolle durch Perampanel | 4-2017

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Ein 35-jähriger Patient leidet seit seinem 17. Lebensjahr an einer schwer behandelbaren fokalen Epilepsie. Ursache ist sehr wahrscheinlich eine entzündliche ZNS-Erkrankung. Erste Anfälle traten schon in der Akutphase der Erkrankung auf. Die Epilepsie manifestiert sich in Form von monatlich 3-4 komplex-fokalen Anfällen, denen eine unspezifische Aura vorausgeht, sowie – selten – Grand mal. Der Patient wurde bisher mit mehr als 10 Antiepileptika behandelt, aktuell sind dies Levetiracetam, Lamotrigin und Primidon, jeweils in hoher Tagesdosis.

Trotz des frustranen Einsatzes einer Reihe von für den Patienten neuen Antiepileptika entschieden wir uns Ende 2016 für einen Therapieversuch mit Perampanel, zunächst in einer Dosis von 6 mg täglich. Perampanel unterscheidet sich in seinem Wirkmechanismus im Vergleich zu allen anderen Antiepileptika dadurch, dass es den exzitatorischen AMPA-Rezeptor hemmt.

Die Erwartungshaltung des Patienten gegenüber der Substanz war niedrig, da schon zu viele andere hoffnungsvolle Substanzen letztlich nicht erfolgreich waren. Umso überraschenderweise kam es unter Perampanel in den ersten drei Monaten der Einnahme zu einer signifikanten Reduktion der Frequenz komplex-fokaler Anfälle.

Basierend auf dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde diesem Antiepileptikum durch den Gemeinsamen Bundesausschuss kein Zusatznutzen zugesprochen. Die Absurdität dieser Entscheidung spiegelt sich in dem vorliegenden Fall wider, da Perampanel individuell durchaus zu einem zusätzlichen Nutzen führen kann. Da formal aber kein Zusatznutzen bestehen soll, bewegt sich die Kostenerstattung nach AMNOG nur auf dem Niveau einer Vergleichssubstanz wie Lamotrigin. Dies refinanziert jedoch nicht die Entwicklungskosten eines neuen Antiepileptikums. Daher wurde die Substanz von der Firma Eisai innerhalb Deutschlands „außer Vertrieb“ gesetzt, sie kann jedoch über internationale Apotheken bezogen werden.

Die Krankenkasse des Patienten prüft aktuell, ob sie die Kosten dieses Antiepileptikums vor dem Hintergrund seiner individuellen Wirksamkeit auch längerfristig übernehmen kann.

Perampanel ist u.a. aufgrund seines andersartigen Wirkmechanismus in vielen europäischen Ländern und in Nordamerika ein sehr erfolgreiches Antiepileptikum. Das Beispiel Perampanel illustriert anschaulich, dass die methodischen Ansätze, nach denen in Deutschland Antiepileptika via AMNOG ein Zusatznutzen zugesprochen werden oder eben nicht, insuffizient sind. Hier besteht ein relevanter politischer Handlungsbedarf.

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