Fall des Monats

Epilepsie und Narkolepsie | 6-2016

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Ein 31-jähriger Patient ist seit mehr als 10 Jahren in unserer regelmäßigen ambulanten Behandlung. Im 18. Lebensjahr trat bei dem Patienten erstmals nach einer kurzen Nacht mit 3 Stunden Schlaf direkt nach dem Aufwachen ein tonisch-klonisch generalisierter epileptischer Anfall auf. In den folgenden 13 Jahren manifestierten sich zwei weitere tonisch-klonisch generalisierte Anfälle, beide nach Schlafmangel und jeweils kurz nach dem Aufwachen. Die Familienanamnese ist unauffällig, mehrere Routine-EEGs waren ohne pathologischen Befund.

Neben diesen epileptischen Anfällen berichtet der Patient über Episoden, bei denen er beim morgendlichen Erwachen komplett gelähmt im Bett liege, er könne gerade mal seine Zunge und die Augen bewegen. Diese Schlaflähmungen dauern etwa 1-2 min, sie sind extrem Angst-besetzt. Diese Episoden sind bisher etwa 5 Mal aufgetreten. Zusätzlich zu diesen Episoden berichtet der Patient über eine auffällige Tagesmüdigkeit. In einer polysomnographischen Untersuchung fand sich im multiplen Schlaflatenz-Test (MSLT) das Phänomen eines Sudden Onset REM-Sleeps (SOREM; d.h. frühzeitiges Auftreten von Schlafphasen mit Rapid Eye Movements = REM).

Bei dem Patienten lassen sich zwei Diagnosen stellen: Zum einen besteht eine Epilepsie, sehr wahrscheinlich handelt es sich um eine idiopathisch generalisierte Epilepsie, Subsyndrom: Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal. Zum anderen besteht eine Narkolepsie, die durch Schlaflähmung und eine auffällige Tagesmüdkeitkeit gekennzeichnet ist. Die Diagnose einer Narkolepsie konnte durch den pathologischen SOREM-Befund im MSLT bestätigt werden.

Mittel der ersten Wahl bei idiopathisch generalisierten Epilepsien ist Valproat. Der Patient hat diese Substanz jedoch aufgrund vielfältiger unspezifischer Nebenwirkungen nicht vertragen. Unter einer Therapie mit 900 mg Carbamazepin ist er nun seit 3 Jahren frei von tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfällen. Diese Substanz ist bei idiopathisch generalisierten Epilepsien nicht ganz unproblematisch, da sie als Natrium-Kanal-Blocker Myoklonien und Absencen auslösen oder verstärken kann. Dies war jedoch bei diesem Patienten nicht der Fall. Die Narkolepsie wurde mit Modafinil behandelt, seit regelmäßiger Einnahme treten keine Schlaflähmungen mehr auf, die exzessive Tagesmüdigkeit hat sich deutlich gebessert.

Die Koinzidenz einer idiopathisch generalisierten Epilepsie mit einer Narkolepsie ist in der Literatur bisher nicht beschrieben. Genetische Gemeinsamkeiten sind bisher nicht aufgezeigt worden. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Narkolepsien mit einer Prävalenz von 1 auf 5.000 sehr selten sind.

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